Als ich die Ziegen abends füttern will, finde ich einen mit von Schreck geweiteten Augen, zitternden Wollo vor. Sein rechtes Vorderbein hängt leblos in der Luft. Als ich es abtaste ist schnell klar: Das Bein ist am Unterarm (über dem Karpalgelenk) komplett gebrochen. Wie Wollo das geschafft hat ist mir bis heute schleierhaft…
Die Diagnosin der Tierärztin ist klar: Ein solcher Bruch muss operiert werden. Wäre er unter dem Karpalgelenk gewesen, hätten wir das Bein mit einer Schiene vielleicht hingekriegt. Aber oberhalb kann man die Schiene zu wenig fix befestigen. Es muss eine Platte am Knochen befestigt und ein Gips gemacht werden. Dafür muss Wollo ins Tierspital…
Dass eine Ziege ein Bein bricht gibt es schon ab und zu mal. Dass sie die Chance auf eine Operation bekommt eher selten. Zumal so ein mehrwöchiger Aufenthalt im Tierspital ein Vielfaches einer Ziege kostet…
Für mich ist aber sofort klar, dass Wollo diese Chance bekommen soll. Es wird schon irgendwie gehen. Es muss.
Im Tierspital Bern wird Wollo sofort gut betreut und schon am nächsten Morgen vom Chef operiert. Ich warte mit einem flauen Gefühl im Bauch. Eine Vollnarkose ist immer ein Risiko für eine Ziege, weil die Pansentätigkeit eingeschränkt wird.
Nach ein paar Stunden kommt endlich der erlösende Anruf: Wollo hat die Operation gut überstanden. Beim Besuch kann ich ihn aus seuchetechnischen Gründen erst nur durch die Scheibe betrachten. Er erkennt meine Stimme trotzdem sofort. Und sein verlorener Blick und klägliches Meckern trifft mich direkt ins Herz.
Die ersten Tage trägt Wollo einen Gips, der später durch eine Schiene ersetzt wird. Er bleibt noch eineinhalb Wochen im Tierspital zur Kontrolle. Wann immer es geht, bringe ich ihm frische Blätter. Er fühlt sich in seinem Böxli nicht sehr wohl und fängt schon bald an, es mit seinen Hörnern zu bearbeiten. Ein Zeichen, dass er wieder zu Kräften kommt.
Mit seinem Charme hat er übrigens das Klinikpersonal schon bald um den Finger gewickelt. Jaja, er ist und bleibt ein Charmeur.
Als ich Wollo nach Hause hole, trägt er noch während zwei Wochen die Schiene, später ein Stüztverband und am Schluss darf er das Bein endlich wieder belasten.
Er hat stark abgenommen und will anfangs nicht so recht fressen. Zum Glück nützt die Spritze vom Tierarzt und er fängt wieder zu knabbern an. Damit entscheidet er sich für die Erholung.
Heute kann Wollo sein Bein wieder normal belasten. Er hat immer noch die Platte am Knochen. Die kann auch bleiben, sofern sie ihn nicht stört. Wenn er normal geht, sieht man kaum mehr etwas. Beim Laufen hüpft er oft ein bisschen, es wirkt aber nicht so, als ob er noch Schmerzen hat. Wenn ich ihn nun springen und toben sehe, bin ich einfach nur glücklich, dass er noch da ist.